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Friday, December 11, 2009

"Blühende Landschaften" am Hindukusch?

medico - Bewertung aus der Sicht einer deutschen Hilfsorganisation

"Blühende Landschaften" am Hindukusch?


Rede von medico-Geschäftsführer Thomas Gebauer. Gehalten auf der Konferenz "Mission impossible am Hindukusch? - Zwischenbilanz der neuen internationalen Afghanistan-Politik" am 24.11.2009 in Berlin. Veranstaltet wurde die Konferenz vom Verband Entwicklungspolitik deutscher Nichtregierungsorganisationen (VENRO).

Kriegerische Zustände herrschen in Afghanistan bekanntlich nicht erst seit gestern. Nicht die Lage ist neu, wohl aber der Minister, der sie kommentiert. Und da hat sich offenbar etwas verändert. Statt die Dinge weiter Schönzureden, könnte nun endlich auch dort Klartext geredet werden, wo über die Entsendung von Soldaten entschieden wird: im Bundestag.

Sie alle kennen die sprachlichen Verrenkungen, die in den letzten Jahren die Runde machten. Statt von Krieg war von Stabilisierungseinsatz die Rede, statt von Aufstandsbekämpfung von einer Friedens- und Wiederaufbaumission, von Soldaten als Aufbauhelfer - ja selbst von Tornados zur Planung von Infrastrukturprojekten, wie mir Abgeordnete des Deutschen Bundestages zu versichern versuchten. Ein einziger Eiertanz, den wir, den entwicklungspolitisch tätige NGOs immer mit größter Skepsis verfolgt haben.

Warum? – Auch darum wird es gehen, wenn ich Ihnen im Folgenden die Lage in Afghanistan aus der Perspektive von Hilfsorganisationen, die vor Ort tätig sind, schildern werde. Ausgangspunkt für mich sind zunächst eigene Erfahrungen, Besuche vor Ort, Gespräche mit Partnern, dann aber auch die Erfahrungen meiner Kollegen bei medico international, schließlich all das, was andere NGOs berichten, was wir untereinander austauschen und zuletzt in einem gemeinsamen Positionspapier unter dem Dach von VENRO zusammengetragen haben. Dessen Forderungen werde ich Ihnen gegen Ende meiner Ausführungen im Einzelnen erläutern.

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So sehr wir auf rasche und spürbare Verbesserungen drängen, steht für uns doch auch fest, dass nachhaltige Veränderungen nicht von heute auf morgen gelingen werden. Voraussetzungen sind partizipative Prozesse, in die alle relevanten Akteure eingebunden werden müssen, begleitet von Verhandlungen und vertrauensbildenden Maßnahmen, um schließlich langfristig angelegte Aufbauprogramme zu definieren, die nicht von außen übergestülpt werden und am Ende nur der Legitimation bzw. der Absicherung von Truppenpräsenz dienen.

III.

Lassen Sie mich abschließend noch mal auf die Äußerungen von Verteidigungsminister Guttenberg zu sprechen kommen. In seinem Focus-Interview hat er auch gesagt, dass – und ich zitiere – "dass man in Afghanistan an seine Grenzen stößt, wenn man von einer Demokratie westlichen Stils zu träumen beginnt. Ein solcher Traum ist mit den Realitäten vor Ort nicht vereinbar. Auch dieser Traum hat uns viel Zeit gekostet".

Mit Blick auf die Verhältnisse, die in Afghanistan herrschen, mag auch darin etwas Zutreffendes zum Ausdruck kommen. Gewiss war die Idee naiv gewesen, das Modell des OECD-Staates nach Afghanistan exportieren zu wollen. Dennoch kann ich mich nicht ganz des Eindrucks erwehren, dass er für die Grenzen, auf die man in Afghanistan nun stößt, vor allem die Afghanen selbst verantwortlich machen will.

So notwendig realistische Einschätzungen sind, so wenig darf dabei übersehen werden, dass die Sache der Afghanen schon lange nicht mehr die Sache der Afghanen alleine ist. Auch der Westen hat über Jahrzehnte hinweg heftig Einfluss genommen. Mit dem Argument, Freiheit und Demokratie verteidigen zu wollen, hat er den Kampf der Mujaheddin gegen die sowjetische Besatzung finanziert. Später hat er zusehen, wie das Land von eben den Mujaheddin vollends in Schutt und Asche gelegt wurde. Er hat, in der Hoffnung, endlich wieder einen Garant für Stabilität gefunden zu haben, der sich obendrein noch als Bündnispartner in den Auseinandersetzungen mit dem Iran anbot, Mitte der 90er Jahre die Bildung der Taliban unterstützt. Und er hat dann 2001 erneut mit den Mujaheddin und Warlords gemeinsame Sache gemacht, als es darum ging, die Taliban wieder aus Afghanistan zu vertreiben.

2001, zu Beginn des internationalen Engagements, standen die Voraussetzungen für die Herausbildung demokratischer Verhältnisse nicht einmal schlecht. Mit großem Enthusiasmus beteiligten sich die Afghanen an der Loya Jirga und stimmten für eine neue Verfassung. Der Moment, in dem die Demokratie scheiterte, war, als der damalige US-Botschafter und die UN dafür sorgten, dass in der Loya Jirga neben den gewählten Delegierten auch 50 Plätze für die Warlords reserviert wurden. Es waren die Afghanen, denen mit diesem skandalösen Akt die Grenzen für den Traum ihrer Demokratie aufgezeigt wurden. Um sich selber die Finger nicht schmutzig machen zu müssen, hatte der Westen mit Kriegsverbrechern paktiert, mit anderen Worten: den Teufel mit dem Beelzebub ausgetrieben.

Wer so vorgeht, muss sich nicht wundern, wenn Demokratie scheitert. Nicht eine vermeintliche Rückständigkeit der Afghanen steht dem Traum demokratischer Verhältnisse entgegen, sondern die Art und Weise wie der Westen in den letzten Jahrzehnten von außen eingegriffen hat. Taliban, Warlords, Milizen, Drogenbarone – sie alle sind nichts anderes als die Gespenster der Ruinen gescheiterter Interventionen.