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Wednesday, December 21, 2005

Wehrgerechtigkeit 2005

Eine umfassende Auswertung aktueller statistischer Angaben
des Bundesministeriums der Verteidigung
von Peter Tobiassen

11. Oktober 2005


Das Bundesverfassungsgericht hat schon 1978 betont, dass die Durchführung der allgemeinen Wehrpflicht unter der Herrschaft des Artikels 3 Absatz 1 Grundgesetz steht und damit der staatsbürgerlichen Pflichtengleichheit in Gestalt der Wehrgerechtigkeit unterliegt. Daran ist die heutige Wehrpflichtpraxis zu messen.

Wehrgerechtigkeit 2005 Rund 70.000 Wehrpflichtige eines Jahrgangs werden bei der Musterung „vergessen", weil die Musterungskapazitäten in den Kreiswehrersatzämtern auf unter 370.000 Musterungen pro Jahr begrenzt sind. Außerdem hat die Änderung des Wehrpflichtgesetz im Oktober 2004 den Anteil der Untauglichen verdreifacht, von 12 % im Jahr 2000 auf 36 % im Jahr 2005. Auf diese Weise werden mindestens 110.000 Wehrpflichtige jedes Jahrgangs entweder nicht gemustert oder willkürlich für nicht wehrdienstfähig erklärt.

Nach Abzug aller Ausnahmen steht etwa ein Drittel der Gemusterten tatsächlich für den Grundwehrdienst zur Verfügung. Bei 370.000 Musterungen pro Jahr sind das 120.000 potenzielle Wehrdienstleistende. Jährlich sollen aber nur 56.400 Wehrpflichtige zur Bundeswehr und damit über die Hälfte der tatsächlich Verfügbaren nicht mehr einberufen werden. Auch die großzügigen Vorgaben des Bundesverwaltungsgerichts vom Januar 2005 werden damit nicht erfüllt.

Die beiden exemplarisch ausgewählten Geburtsjahrgänge 1983 und 1990 zeigen, dass heute wie zukünftig etwa die Hälfte eines Jahrgangs keinen Dienst mehr leistet. Während vom Geburtsjahrgang 1983 noch 15,4 % Wehrdienst leisteten, werden es vom Jahrgang 1990 nur noch 12,6 % sein.

Wehrgerechtigkeit 2005 Von 2005 bis 2010 sollen insgesamt 354.400 Wehrpflichtige zum Wehrdienst einberufen werden. Wenn alle Männer gemustert würden, ständen über eine Million Männer nach den heutigen Musterungs- und Freistellungskriterien für die Einberufung zum Wehrdienst zur Verfügung, rund 650.000 können also trotz Verfügbarkeit bis 2010 nicht einberufen werden.

Zukünftig leisten weniger als 13 % Grundwehrdienst, 32 % andere Dienste und über 55 % keinen Dienst. Anders ausgedrückt: Von einem Geburtsjahrgang wird nur noch jeder Achte Wehrdienst leisten, jeder Dritte einen anderen Dienst machen und jeder Zweite sogar keinen Dienst mehr leisten.

Der Versuch des Gesetzgebers, sich mit Hilfe geänderter Tauglichkeits- und Freistellungsregelungen einem „gerechteren" Einberufungsverfahren zu nähern, ist gescheitert. Die Untersuchung bestätigt, was „der Mann auf der Straße" schon längst festgestellt hat: Wenn von über 430.000 Männern eines Jahrgangs weniger als 60.000 für den Wehrdienst gebraucht werden, lässt sich das nicht gerecht organisieren.

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